20.000 Musiker aus 25 Ländern, 200 Orchester und 300.000 erwartete Besucher. Der WMC trotzt Corona und die Entscheidung, das Festival um ein Jahr zu verschieben, hat sich als goldrichtig erwiesen. Vom 7. bis 31. Juli wird die niederländische Stadt Kerkrade wieder zum Mekka der Blasmusikfans.

70 Jahre und kein bisschen leise. Die 19. Auflage des „Wereld Muziek Concours“ (WMC) wirft ihre Schatten voraus und es bahnt sich erneut ein guter Jahrgang an. Über das Festival, die Wettbewerbe und das umfassende Programmangebot haben wir mit Björn Bus (41), künstlerischer Leiter des WMC, gesprochen.

 Björn Bus, worauf können wir uns beim diesjährigen WMC freuen?

(lacht) Sie können sich auf unglaublich viele Dinge freuen. Im Mittelpunkt stehen natürlich die Wettbewerbe. Wir sind glücklich, dass rund 200 Orchester aus 25 Ländern am diesjährigen WMC teilnehmen werden. Im Vergleich zu 2017 ist die Teilnehmerzahl um etwa 25 Prozent gesunken und die Vereine kamen aus 30 Ländern. Das zeigt, dass sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie in Grenzen halten. Wir stellen aber fest, dass es für Orchester aus asiatischen Ländern, die lange Lockdowns hatten und mitunter noch haben, unglaublich schwierig ist. Wir hatten immer Teilnehmer aus Hongkong und Singapur, die können die Reise diesmal nicht antreten. Das gilt mitunter auch für Vereine aus den USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Sie benötigen eine längere Vorlaufzeit für die Planung. Zum Glück haben wir einige asiatische, nord- und südamerikanische Orchester, aber auch ganz viele aus Europa. Wir können alle Wettwerbe durchführen und können uns auf einen tollen WMC freuen.

 

Welche Nationen zählen Sie zu den Favoriten?

Die Belgier sind immer top vorbereitet und ich erwarte viel von diesen Orchestern. Das liegt insbesondere an dem tollen Ausbildungssystem in Belgien, das nicht mit dem in den Niederlanden zu vergleichen ist. Und das spiegelt sich in der Qualität der Orchester wider.

Aus der Schweiz verzeichnen wir mehr Teilnehmer als 2017. Und auch aus Deutschland kommen immer mehr Orchester, für die Höchststufe sind es eigentlich noch zu wenig, es fehlt etwas die Breite. Woran es liegt, kann ich auch nicht sagen. In Deutschland gibt es die letzten Jahre mehrere Projektorchester, die sich sehr gut entwickeln. Ich habe das Gefühl, dass sie den Schritt nach Kerkrade noch nicht richtig wagen. Auch Österreich hat einige Projektorchester, die wirklich an der Spitze mitspielen können und die sind auch da. Hinzu kommen Spitzenorchester aus den Niederlanden, Spanien und Portugal.

Corona bedingt haben Sie den WMC um ein Jahr verschieben müssen. Sicherlich keine leichte Entscheidung, oder?

Das war eine äußerst schwierige Entscheidung. Schon im Mai 2020 haben wir uns für eine Verschiebung des Festivals ausgesprochen, was auch zu Kommentaren führte wie: Ist diese Entscheidung nicht verfrüht? Mittlerweile wissen wir, dass es die richtige Entscheidung war, wissend, dass viele Orchester eine ein- bis anderthalbjährige Vorbereitungszeit benötigen. Wenn man aus den Niederlanden, Deutschland oder Belgien kommt, benötigt man weniger Zeit und Geld für eine Teilnahme. Wir haben Orchester aus Asien, die für eine Teilnahme am WMC und den damit verbundenen Kosten für Reise, Unterkunft usw. bis zu 100.000 Euro aufbringen müssen.

Vor unserer Entscheidung, den WMC zu verschieben, haben wir sondiert und bei den Orchestern aus der ganzen Welt nachgefragt. Es stellte sich schnell heraus, dass viele Vereine 2021 nicht die Möglichkeit hatten, nach Kerkrade zu kommen. Viele fragten uns, das Festival um ein Jahr zu verschieben.

Wir haben dieses zusätzliche Jahr genutzt, um den WMC zu professionalisieren und uns digital besser aufzustellen.

Kann die Rodahalle im Juli voll genutzt werden, oder gibt es Corona-Beschränkungen?

Stand heute können wir einen „normalen“ WMC durchführen. Gemeinsam mit Sicherheits- und Corona-Experten haben wir mehrere Varianten geprüft, sollten Corona bedingt erneut Maßnahmen notwendig werden. Wir antizipieren und die entsprechenden Protokolle sind fertig, wie wir die Rodahalle zu einem Drittel belegen können oder wie getestet werden soll. Dass wir Orchester aus 25 Ländern haben, macht es nicht einfacher. Sie müssen wissen, wie die Corona-Lage bei uns ist und ob sie bei der Rückreise mit eventuellen Auflagen rechnen müssen. Derzeit laufen Verhandlungen, beim WMC eine mobile Teststraße einzurichten, damit wir alle Teilnehmer testen können. Wir sind auf mehrere Szenarien vorbereitet, hoffen aber, dass das Festival ohne Probleme durchgeführt werden kann.

 

Konzerte, Jugendförderung und Meisterklassen haben den WMC schon immer geprägt. Wie sieht es diesmal aus?

Mit der Konzertserie „line-up“ präsentieren wir tolle Galakonzerte mit professionellen Blas- und Symphonieorchestern unter anderem aus Japan, den USA und Spanien. Auch bei der „WMC Academy“ gibt es viel zu sehen und zu hören. Erstmals stellen wir eine World Youth Brass Band auf die Beine mit 29 ausgewählten Blechbläsern und Schlagzeugern aus der ganzen Welt. Sie werden eine Woche mit Top-Dozenten aus der Brassband-Szene zusammenarbeiten und Abschlusskonzerte auf einem sehr hohen Niveau geben.

„Young Generation“ ist ein internationales Jugendblasorchester-Projekt. Während zwei Wochen begleiten die niederländischen Komponisten und Dirigenten Hardy Mertens und Johan de Meij die Nachwuchsmusiker. Für das Projekt „Brass for Africa“ werden wir eine Gruppe mit 12 Blechbläsern aus Uganda eine Woche zu Gast haben. Sie werden mehrmals bei uns auftreten.

Darüber hinaus bieten wir einen internationalen Dirigentenkurs an, bei dem während einer Woche verschiedene Themen wie symphonische Transkriptionen oder Brassband in Workshops und praxisnah mit verschiedenen Orchestern präsentiert werden. Parallel dazu findet der Dirigentenwettbewerb statt, an dem 24 ausgewählte Kandidaten teilnehmen werden. Und dann haben wir auch noch das „Youth Camp“ für junge Marsch- und Showteilnehmer (siehe Seite 17 in der Födekam Neues-Ausgabe 2022/1). Last but not least haben wir viele Meisterklassen, zum Beispiel mit dem weltbekannten Schlagzeuger Martin Grubinger aus Österreich. Als unser „Artist in Residence“ tritt er mehrfach in den vier WMC-Wochen auf und gibt auch Meisterklassen.

Was das „Rundherum“ angeht, wurden einige Neuerungen eingeführt. Wie muss man sich das Programm vorstellen?

Unser Festival ist 70 Jahre alt und die Wettbewerbe waren immer das Wichtigste. Man hat stets versucht, um die Wettbewerbe herum Konzerte zu programmieren und in der Stadt Kerkrade ein Außenfestival auf die Beine zu stellen. Letzteres hatte nicht immer viel mit dem WMC zu tun gehabt.

Jetzt haben wir uns gesagt, dass der WMC als internationales Blasmusik-Festival nicht nur die Wettbewerbe umfasst, sondern alles, was im Juli in der Stadt und im Stadion abläuft. Das heißt, alles hat mit Blasmusik zu tun. Für den Marktplatz haben wir ein Programm mit Schwerpunkt Blasmusik ausgearbeitet. Am zweiten WMC-Wochenende präsentieren wir beispielsweise den Wettbewerb „Copa Kapella“ in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Festival „Woodstock der Blasmusik“.

Im Vergleich zu früher versuchen wir, die Blasmusik viel breiter zu präsentieren. Früher lag der Fokus sehr auf der symphonischen Blasmusik, jetzt möchten wir die verschiedenen Formen der Blasmusik ins Rampenlicht stellen: von symphonischer Blasmusik über Pop und Jazz hin zur volkstümlichen Blasmusik. Das alles ist Blasmusik, weshalb sollen wir als WMC die diversen Formen nicht in unser Festival integrieren? Somit erreichen wir auch ein anderes und jüngeres Publikum.

Auch diesmal haben Sie eine Reihe von Kompositionen für die Wettbewerbe in Auftrag gegeben. Die Tradition wird fortgesetzt, oder?

In den 70 Jahren WMC haben sehr viele Blasmusikkompositionen in Kerkrade Premiere gefeiert, das ist unglaublich. Wir waren schon immer eine Plattform für die Komponisten, damit sie ihre Werke präsentieren konnten. Wir sind Impulsgeber und als Festival investieren wir viel Geld, weil wir mehr als die Hälfte der Pflichtwerke in Auftrag geben. Diesmal haben wir für die dritte Division Harmonie, Brassband und Fanfare Kompositionen in Auftrag gegeben, um Impulse für ein neues Repertoire zu geben. Wir möchten auch für die Mittel- und Unterstufenorchester etwas Neues anbieten. Hinzu kommt noch das Pflichtwerk in der ersten Division Harmonien des französischen Komponisten Alexandre Kosmicki.

2017 haben Sie das Landesblasorchester Baden-Württemberg beim WMC in Kerkrade dirigiert, jetzt sind Sie der künstlerische Leiter des Festivals. Wie fühlt sich das an?

Das ist interessant. Ich komme aus der Region und habe mehrere WMC miterlebt und war auch als Musiker mit von der Partie. Die Organisation eines derartigen Festivals hat mich schon immer gereizt. Als ich von den WMC-Verantwortlichen 2018 gefragt wurde, ob ich beim WMC einsteigen und die Nachfolge von Harrie Reumkens antreten wolle, habe ich lange nachgedacht. Denn die Konsequenz ist, dass ich als Dirigent hier beim WMC nie mehr etwas machen kann. Auf der anderen Seite die Möglichkeit, als künstlerischer Leiter das größte internationale Blasmusik-Festival mitgestalten zu können, da konnte ich nicht nein sagen.